YOUSE blickt zurück - Feldforschung digital
21.12.2020

Sprachnachricht statt Shadowing
Dieses Jahr waren viele bewährte UX Methoden nicht so wie immer durchführbar. Face to Face Interviews, Shadowing, Workshops, arbeiten mit Senior:innen, ins Feld – Usability-Tests mit Schulterblick vor einem Bildschirm – undenkbar. Zugegeben, manches war mit Leichtigkeit in einen remote Kontext zu übersetzen anderes musste hingegen neu ge- und erdacht werden.
Im späten Frühjahr hatte YOUSE,  im Kontext einer Bedarfsanalyse, den Auftrag Lokaljournalist:innen einen Tag lang zu begleiten, um einen Eindruck in ihre Arbeitswirklichkeit zu bekommen. Eigentlich eine klassische kleine Feldforschung. Ich musste umdisponieren und Konzepte entwickeln, um die Tagesbegleitung für uns, wie auch für unsere Interviewpartner:innen, durchführbar zu machen. Im Vorfeld haben wir versucht unsere Teilnehmer:innen möglichst persönlich anzusprechen und uns durch eine Videobotschaft ein Gesicht zu geben. Über den jeweiligen Tag verteilt haben wir dann personalisierte Textnachrichten verschickt, in denen wir darum baten uns das Erlebte und das was geplant ist via Sprachnachricht, durchaus bewertend und emotionalisiert, zu berichten. Ich hatte ein grobes Skript erarbeitet und wir haben dann sehr relativ gearbeitet. Erreichte uns eine Nachricht, haben wir gut zugehört, nachgefragt und versucht uns wie in einem Dialog mit einer befreundeten Person zu verhalten.

»Mein Tag als O-Ton« war ein spannendes Format und hat gute Insights und Ansatzpunkte für Follow-Up Interviews geliefert. Die Teilnehmer:innen sind mit der Vorgehensweise und den technischen Voraussetzungen problemlos zurecht gekommen und haben zum Teil das Medium eigenständig erweitert, indem uns auch das ein oder andere Foto geschickt wurde.
Jetzt könnte man denken, ach easy so ein paar SMS am Tag schreiben, das macht man so nebenbei. Aber nur weil eine Untersuchung digital läuft und örtlich getrennt ist sollte man nicht davon ausgehen, dass es weniger Arbeit bedeutet. Vielleicht wird die Anfahrtszeit eingespart, aber eine intensive Auseinandersetzung ist nötig, um reaktiv auf Berichtetes in den jeweils folgenden Nachrichten einzugehen, das kostet Zeit, Vorstellungskraft und fordert Kreativität von den beteiligten Researcher:innen. Immer wenn geantwortet wurde haben wir adhoc die eingehenden Nachrichten paraphrasiert und Ansatzpunkte lokalisiert, um den Dialog in Gang zu halten. Eine gute Balance von gefragten Inhalten und Versendungsintervallen der Nachrichten ist wichtig, damit die Teilnehmer:innen sich in ihrem stressigen Alltag nicht zusätzlich belastet, aber auch nicht unbeachtet fühlen.
In Zukunft werden wir sicher nicht alles auf Sprach- und Textnachrichten umstellen, trotzdem haben wir einen weiteren Bestandteil ausgelotet, um Personen, verhältnismäßig kosteneffizent, zu begleiten, die sich weit entfernt befinden.